28. 04. 2011
HOMBURGER-Interview für "Focus Online"
BERLIN. Die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Birgit HOMBURGER gab "Focus Online" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Martina FIETZ:
Frage: Die FDP ist in schwerem Fahrwasser. Der designierte Vorsitzende Philipp Rösler hat angekündigt, die Personalentscheidung für ihn sei erst der Anfang der personellen Erneuerung. Was erwarten Sie auf dem Parteitag im Mai?
HOMBURGER: Wir werden eine umfassende Erneuerung des Präsidiums der Bundespartei bekommen. Das ist das wichtigste Gremium der FDP, das die Partei auch in die nächste Bundestagswahl führen wird...
Frage: Erneut wurden Rufe nach einem Rückzug von Rainer Brüderle laut? Würden Sie ihn gern weiter an der Parteispitze sehen?
HOMBURGER: Rainer Brüderle hat selbst noch nicht erklärt, ob er erneut kandidieren wird für die Position des stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Das ist seine persönliche Entscheidung.
Frage: Fänden Sie es denn gut, wenn er nochmals antreten würde?
HOMBURGER: Ich will nicht über Personalfragen spekulieren. Wir müssen in eine inhaltliche Offensive kommen. Die Partei muss sich stabilisieren. Dabei geht es nicht nur um Personalfragen, sondern vor allem darum, wie wir verloren gegangenes Vertrauen wieder gewinnen. Wir müssen die Menschen wieder für liberale Politik interessieren.
Frage: Bevor wir zu inhaltlichen Fragen kommen: Erwarten Sie Veränderungen auch im Kabinett?
HOMBURGER: Diese Fragen haben wir ja bereits auf einer gemeinsamen Sitzung von Bundestagsfraktion und Bundesvorstand erörtert. Dabei wurde nicht für Veränderungen plädiert. Philipp Rösler selbst hat dabei deutlich gemacht, dass er Bundesgesundheitsminister bleiben möchte, dass er das Ressort gern innehat. Ich glaube auch, dass er in diesem Bereich viel für uns bewegen kann...
Frage: Inwiefern?
HOMBURGER: Das Gesundheitsministerium wird nicht per se mit den Liberalen verbunden. Hier kann der Minister vieles bewegen. Speziell im Bereich der Pflege, die in diesem Jahr auf der Tagesordnung steht, geht es auch um grundlegende gesellschaftspolitische Fragen: Wie gehen wir eigentlich in unserer Gesellschaft mit älteren Menschen um? Das betrifft nicht nur finanzielle Fragen. Wir müssen die Strukturen so ändern und Bürokratie abbauen, dass wir mehr Raum für Zuwendung schaffen. Das ist mir ganz persönlich wichtig und ein sehr liberales Thema. Außerdem betrifft es die Lebenswirklichkeit vieler Menschen und um die müssen wir uns verstärkt kümmern.
Frage: Wie wollen Sie Ihre Position stärken? Wo wollen Sie inhaltliche Schwerpunkte setzen?
HOMBURGER: Im Zentrum steht derzeit die Energiepolitik. Hier müssen wir uns neu positionieren. Nach den Ereignissen von Japan können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wenn wir jetzt überlegen, wie wir in Zukunft mit Kernenergie umgehen wollen, gibt es verschiedene Punkte zu beachten: Da steht an erster Stelle die Frage der Sicherheit. In einem Industriestandort wie Deutschland ist jedoch auch die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie ein bedeutender Faktor. Wir können die Auswirkungen auf Arbeitsplätze nicht aus dem Blick lassen. Nicht zuletzt geht es darum, die Umweltverträglichkeit der künftigen Energieversorgung zu gewährleisten. Kurzum: Unser Ziel ist es, das Zeitalter der erneuerbaren Energien schneller zu erreichen. Das zu gestalten ist die große Herausforderung der nächsten Wochen.
Frage: War es also in der Rückschau ein Irrtum, noch im Herbst zu denken, man könne die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern?
HOMBURGER: Es geht nicht um Laufzeiten, sondern um die Sicherheit von Anlagen und die haben wir im Herbst vergangenen Jahres anders bewertet. Wir haben hohe Sicherheitsstandards, die jetzt jedoch selbst auf den Prüfstand gestellt werden. Das wird Rückwirkungen haben auf den weiteren Betrieb von Kernkraftwerken.
Frage: Beim Thema Euro-Rettung rührt sich Unmut, auch in Ihrer Fraktion. Was tun Sie um die Kritiker zu überzeugen, dem Milliardenpaket breit zustimmen?
HOMBURGER: Wir als FDP-Bundestagsfraktion haben massiven Druck gemacht, dass es in Europa nicht zu einer Haftungsunion kommt. Wir sind da in den Verhandlungen auf gutem Weg. Da ist noch nichts abgeschlossen. Die FDP wird nicht akzeptieren, dass haushaltsrelevante Entscheidungen außerhalb des Deutschen Bundestages getroffen werden. Darauf werden wir genau achten und keiner Entscheidung die Zustimmung geben, die hier keine hundertprozentige Klarheit bietet.
Frage: Also haben Abgeordnete wie Frank Schäffler Recht, die auf dem Parteitag im Mai erreichen wollen, dass sich die FDP komplett gegen einen dauerhaften Rettungsschirm für den Euro stellt?
HOMBURGER: Es gibt immer weitergehende Wünsche. Wenn Sie zurückschauen: Der Finanzminister ist mit einem Verhandlungsergebnis nach Deutschland zurückgekommen, das für die FDP nicht akzeptabel war und dessen Nachverhandlung die FDP durchgesetzt hat. Jetzt kommt es darauf an, dass das, was anschließend zugesagt wurde, in Gesetze umgesetzt wird: Es wird keinen finanziellen Automatismus auf europäischer Ebene geben. Eine Umsetzung in deutsches Recht kann nicht von der Vertragsänderung in Europa getrennt werden.
Frage: Bundesinnenminister Friedrich will die Anti-Terrorgesetze verlängern und den Geheimdiensten umfassend und dauerhaft Zugriff auf Bank- und Flugdaten geben. Machen Sie da mit?
HOMBURGER: Die Anti-Terrorgesetze müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Da wird es kein "Weiter so" geben. Unter Rot-Grün und der großen Koalition sind Entscheidungen getroffen worden, die zu Datenerhebungen geführt haben, die keinesfalls mehr Sicherheit bieten, aber die Bürgerrechte erheblich einschränken. Das wird so nicht bleiben. Jedes einzelne Instrument wird evaluiert werden.
Frage: Wie lautet die Kernbotschaft der Koalition bis zur Sommerpause.
HOMBURGER: Alle aktuellen Themen haben eine Klammer: Wir wollen mehr Chancen für mehr Menschen.
Frage: Konflikte mit der Union sind in vielen Punkten garantiert...
HOMBURGER: Wir pflegen mit der Union eine gute Zusammenarbeit und werden in Punkten mit unterschiedlichen Positionen zu guten Ergebnissen kommen.
Frage: Schmerzt es, dass nach dem schlechten Abschneiden der Liberalen bei den Landtagswahlen viele in der FDP Sie zum Bauernopfer machen wollten?
HOMBURGER: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass in einer so schwierigen Diskussion über alle diskutiert wird. Das muss man akzeptieren, wenn man in der Politik arbeitet.
Frage: Macht Ihnen Politik noch Spaß?
HOMBURGER: Ja, klar.
Download der gesamten Pressemitteilung im PDF-Format:
394-Homburger-InterviewFocusOnline.pdf (2011-04-28, 166.15 KB)